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Pfarrkirche St. Pankratius
Die Ur-Pfarrei wurde um 985 vom Damenstift Borghorst gegründet, das ersparte den Gläubigen den beschwerlichen Weg nach Stadtlohn. Die Stiftsdamen bestimmten den Heiligen Pankratius zum Schutzpatron. Dieser wurde vermutlich um 290 in Phrygien, heute Türkei, geboren und kam als Waise nach Rom. Dort soll er 304 wegen seines christlichen Glaubens öffentlich enthauptet worden sein. Sein Martyrium ist in einem Fenster an der Nordseite der Kirche dargestellt. St. Pankratius ist einer der „Eisheiligen“. Seinen Namenstag (12.Mai) feiert die Gemeinde jedes Jahr im Patronatsfest.
Seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts ersetzte eine romanische Kirche aus Bruchsteinen den kleinen Ursprungsbau aus Holzfachwerk. Aus dieser Zeit stammt der bis heute vorhandene Taufstein. Die Kirche war das zentrale Bauwerk des Ortes, für Gottesdienste sowie seelsorgerischen Aufgaben und es diente auch als Bollwerk und Schutzraum. Die Kirchenburg war von einem Ring aus Wohnhäusern mit Speichern, dem Friedhof und Wassergräben umgeben.
1510 folgte ein Choranbau im spätgotischen Stil, der älteste noch vorhandene Bauteil der Kirche. Anschließend entstand nach Abbruch des romanischen Kirchenschiffs unter der Leitung des Baumeisters Henric de Suer aus Coesfeld an gleicher Stelle eine deutlich größere dreischiffige Kirche im spätgotischen Stil. 1663 stürzte die baufällige Spitze des Turmes ein und die Kirche erhielt den aus alten Bildern bekannten Treppengiebel.
Durch eine erneute Erweiterung unter Leitung von Diözesanbaumeister Hilger Hertel d. Ä. aus Münster erhielt die Kirche zwischen 1887 und 1889 ihr heutiges Aussehen mit dem neugotischen Turm, der noch heute das Stadtbild prägt.
In den Kriegen blieb die Kirche von Zerstörung verschont. 1973 brach allerdings ein Teilstück der großen Kreuzblume vom Giebel der Nordseite. Bis 1979 wurden danach Dach und Fassade grundlegend saniert. 1981 folgte eine umfassende Innenrenovierung gemäß den Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils. Für den Chorraum schuf Prof. Hillebrand aus Köln einen Zelebrationsaltar sowie für zwölf Apostelfiguren ein Steinretabel mit Tabernakel. Der Apostelzyklus zählt neben dem romanischen Taufstein zu den besonderen Kostbarkeiten der Kirche. Bei der Restauration entdeckte man in den Köpfen einiger Figuren spätmittelalterliche Seidenstoffe aus dem 15. Jahrhundert mit eingewickelten Reliquien. Weiteres können Sie bei einer Führung oder bei einer Turmbesteigung erfahren.
Die Pfarrkirche St. Pankratius ist das Zentrum der seit 2004 vereinigten katholischen Kirchengemeinde St. Pankratius und St. Mariä-Himmelfahrt mit fast 11.000 Gläubigen.
Jüdisches Leben in Gescher
Jüdisches Leben in Gescher
Nachweise zu Juden in Gescher reichen bis 1773 zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts umfasste die jüdische Gemeinde in vier Familien etwa 30 Personen. Wegen ihrer geringen Personenzahl verfügte die jüdische Gemeinschaft in Gescher über keine eigene Synagoge. Seit 1848 gehörten die Gescheraner Juden zur Synagogengemeinde in Coesfeld und nach 1912 zur Gemeinde in Borken.
Religiöse Feiern fanden daher in privaten Gebetsräumen, zuerst im Hause Spier/Marx, Hauptstraße 35, später im Nebengebäude Stein, Armlandstraße 1, statt. Juden waren als Metzger, Viehhändler und Kaufleute in das dörfliche Leben in Gescher fest integriert. Jüdische Kinder besuchten den katholischen Kindergarten und die Volksschule. Ab September 1936 kam es auch in Gescher vermehrt zu Repressalien. Beim Novemberpogrom 1938 wurden jüdische Häuser und der Gebetsraum im Hause Stein von auswärtigen und ortsansässigen SA-Leuten demoliert. Die jüdischen Männer wurden anschließend mehrere Tage im örtlichen Gefängnis inhaftiert.
Das jüdische Leben in Gescher endete am 10. Dezember 1941 mit der Deportation der jüdischen Familien Marx, Falkenstein, Stein und Marx nach Riga in Lettland. Keiner der zwanzig Gescheraner Juden überlebte die Shoah.
Der Friedhof
Der jüdische Friedhof lag ursprünglich weit außerhalb des Ortes und wird 1867 erstmals im Grundbuch aufgeführt. Er ist der einzige authentische Nachweis einer ehemaligen jüdischen Gemeinschaft in Gescher. Hier befinden sich heute noch 14 Grabstellen. Die letzte nachgewiesene Bestattung auf diesem Friedhof erfolgte 1931.
Gedenkkultur
Erst 40 Jahre nach dem 2. Weltkrieg begann die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Gescher. Am Anfang stand das von Martin Wissen verfasste Werk, „ENT-DECKTE ZEICHEN“, herausgegeben vom Heimatverein Gescher e.V. Im Jahre 1993 folgte die Aufstellung von vier Sandsteinstelen in der Elionore-Stein-Straße in Erinnerung an die vier jüdischen Familien. 2014 trat die Stadt Gescher dem Riga-Komitee bei. Ein Arbeitskreis kümmert sich seitdem um die Gedenkkultur zu jüdischem Leben in Gescher. Inzwischen wurden 20 Stolpersteine vor den ehemaligen jüdischen Besitzungen verlegt und der jüdische Friedhof mit einem neuen Tor und einer diesbezüglichen Informationstafel ausgestattet.
Der ermordeten Gescheraner Juden wird jedes Jahr am 10. Dezember am damaligen Deportationsort vor dem Alten Rathaus gedacht.
Stadtkern im Wandel
Stadtkern im Wandel
Der mittelalterliche Ortskern war geprägt von dem durch mehrere Wasserläufe gesicherten Kirchplatz. Diesen umgaben etwa 100 schmale Giebelhäuser, die sich auch noch bis in den Bereich der Hauptstraße erstreckten. Die Abgeschlossenheit der Ortsmitte, die über Jahrhunderte bestand, wurde erst nach 1675, auf weitsichtige Anregung von Pastor Schmitz, mit Anlage der Armlandstraße und der Hauskampstraße aufgegeben. Das reine Straßendorf blieb bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts erhalten. Von 1818 bis 1900 verdoppelte sich die Einwohnerzahl, nicht zuletzt durch die aufstrebende Textilindustrie. Zur Steuerung dieser Entwicklung wurde 1885 ein erster Bebauungsplan erstellt. Dieser wurde 1932 durch einen „Leitplan“, mit vielen richtungsweisenden Vorschlägen zur Ortsentwicklung, abgelöst. Darin waren schon eine südliche Umgehungsstraße und ein Stichgleis vom Bahnhof zu den Textilfirmen an der Fabrikstraße vorgesehen.
Die weitere Siedlungsentwicklung wird an der Station M dargestellt.
Der bis dahin noch sehr eng bebaute Ortskern war allein durch die allgemeine Verkehrszunahme des Durchgangsverkehrs zu einem großen Problem geworden, von Aufenthaltsqualitäten ganz zu schweigen.
Ab den 1960er Jahren kam es in der Ortsmitte daher zu erheblichen Veränderungen. Zahlreiche Abrissmaßnahmen sowie Neu- und Umbauten veränderten das Ortsbild grundlegend. Auch für den Bau der Konrad-Adenauer-Straße (1969) mit einer Verbindung zur Hauskampstraße waren Eingriffe in historische Substanz nötig. Gleichzeitig kam es beim örtlichen Einzelhandel vielfach zu „modernen“ Umbauten an Fassaden und Geschäftsräumen.
Eine zweite Welle einschneidender Veränderungen erfolgte im Zuge der innerstädtischen Verkehrsberuhigung in den 1980er Jahren. Das Motto lautete: „Roter Stein statt Asphalt“.
Noch gravierender für die Funktion und die Gestaltung der Stadt war in den 1980er bzw. den 1990er Jahren der Bau eines zweiten Dienstleistungs- und Handelsschwerpunktes rund um das neue Rathaus an der Hofstraße. 2017 erhielt dieser Bereich noch eine überzeugende bauliche Abrundung durch das neue Marien-Quartier.
Besonders in den letzten fünfzig Jahren erfuhr somit der über Jahrhunderte gewachsene Ortskern mannigfaltige Veränderungen. Viele davon lassen den jeweiligen Zeitgeist, aber auch modische Strömungen ihrer Entstehungszeit, erkennen.
Manch ein Substanzverlust mag gerade heute schmerzen. Aber es war der Weg vom Dorf zur Stadt.