STATION A

Herzlich willkommen

in der Glockenstadt Gescher

In der Stadt Gescher leben einschließlich des südlichen Ortsteils Hochmoor circa 17.000 Mitbürger (Stand Mitte 2019). Die Stadt blickt zurück auf eine mehr als tausendjährige Geschichte. Das ehemals bescheidene Straßendorf war, besonders in den letzten 150 Jahren, vielfältigen Veränderungen unterworfen. Mit der Industrialisierung ist der Ort stark gewachsen und erhielt 1969 die Stadtrechte nach Angliederung der Umlandgemeinden Harwick, Tungerloh-Capellen und Tungerloh-Pröbsting sowie Estern und Büren. Bauten und Quartiere, aber auch Grünflächen haben, teils mehrfach, Umwandlungen erfahren. Diese sind noch heute im Stadtbild ablesbar oder als Spuren erkennbar.

Zwei Wege - ein Projekt

Sie sind herzlich eingeladen, die Stadt auf dem Geschichtsweg Gescher und dem Planetenweg Gescher zu erkunden. Der Rundkurs wird durch Schilder markiert und verläuft über etwa sechs Kilometer von Haus Hall durch das innere Stadtgebiet mit dem Stadtpark bis zu dem nordöstlich angrenzenden Grüngürtel in der Berkelaue.

Geschichtsweg Gescher

An 15 markant gestalteten Stationen in Gescher und im Ortsteil Hochmoor sind jeweils drei Informationstafeln mit Texten und Bildern zur Orts- und Naturraumgeschichte angebracht. Alle Stationen stehen an interessanten Stellen im Stadtraum.

Zur Textilindustrie, Glockengießerkunst, Stadtentwicklung, zu markanten Bauten und zum gesellschaftlichen Leben werden Spuren der Stadtgeschichte aufgezeigt. Hier können Einheimische und Besucher Wissenswertes erfahren und wesentliche Eckpunkte der Stadtgeschichte kennenlernen. Wichtige Eckdaten sowie Schilderungen zu interessanten Personen und besonderen Vorkommnissen der Stadtgeschichte verdeutlichen prägende Zusammenhänge und vermitteln einen lebendigen Eindruck von Gescher und dem von der Berkel dominierten Naturraum.

Planetenweg Gescher

Elf Stationen bilden ein Modell unseres Sonnensystems im Maßstab 1:1 Milliarde. Der Weg beginnt 400 Meter östlich von hier am Seniorenheim und trifft an der Bahnhofstraße auf den Geschichtsweg.
Detaillierte Informationen zum Planetenweg erhalten Sie an der Station Sonne im Zentrum von Haus Hall.

Ortskern um 1930
Glockenguss seit 1690
Stadtkern 2020
Hauptstraße um 1930
Gründerzeitvillen im Zentrum
Parkanlage „Berkeltal“
Textilindustrie seit 1862
Fabrikantenvilla
Kuhlenvenn im Ortsteil Hochmoor

HAUS HALL BIS 1945

 

Vom Adelssitz zur Stiftung der Kirche

Haus Hall hat seinen Ursprung im Mittelalter und wurde 1390 erstmals urkundlich erwähnt. Der kleine Adelssitz wurde mehrfach vererbt, versteigert und verkauft. Besitzer waren unter anderen ein Richter, ein Vogt, ein Fabrikant, ein Rittmeister, ein Gograf und schließlich die Priorin von Borghorst, Franziska von Schilder. Diese nahm 1794 den Priester Johann Josef Laprevote mit dessen Geschwistern Karl und Dominika nach deren Flucht aus den Wirren der französischen Revolution als Geistlichen auf und vererbte ihm 1812 den Adelssitz. Der letzte Überlebende der Geschwister, Karl Laprevote, schenkte Haus Hall 1837 der Kirche zur Errichtung einer Vikarie. 1855 gründete der Bischof Johann Georg von Münster die Stiftung Haus Hall, laut Urkunde eine „Erziehungsanstalt für verwahrloste Knaben katholischer Konfession“.

Haus Hall damals – eine Welt für sich

75 Jahre danach bekam die Stiftung einen neuen Auftrag. Seit 1930 steht die Betreuung von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund, Ende 1931 waren hier 134 Jungen und 70 Mädchen untergebracht. Die Anstalt lag in großem Abstand von der Ortslage Gescher inmitten von Feldern und Gärten. Die Menschen lebten in großen Gruppen auf engstem Raum. Betreuung und Pflege lag in der Hand von etwa 40 Ordensschwestern und -brüdern. Hauseigene Handwerksbetriebe wie Bäckerei, Schneiderei und eine eigene Landwirtschaft dienten der Selbstversorgung. Kontakte nach Gescher bestanden kaum. Haus Hall war eine eigene Welt, von Mauern und Zäunen umgeben. Das Tor am Zugang, kurz hinter der Berkelbrücke, wurde nachts verschlossen.

Auswirkungen von Diktatur und Weltkrieg

In der nationalsozialistischen Diktatur wurden Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangssterilisiert. Nach 1939 stufte das Regime schwerstbehinderte Menschen sogar als „lebensunwert“ ein. Grundlage war der Geheimerlass Hitlers zu einem Programm mit dem zynischen Namen „Euthanasie“, deutsch „Gnadentod“. Durch tatkräftigen Einsatz zahlreicher engagierter und furchtloser Personen, darunter der damalige Bischof von Münster Graf von Galen, konnten viele Bewohner von Haus Hall vor diesem Schicksal bewahrt werden. Trotzdem fielen bis 1944 noch zwei Mädchen und sechsundzwanzig Jungen, die vor 1939 in Haus Hall gelebt hatten, der grausamen Ideologie zum Opfer.

1944 und 1945 war Haus Hall ein Hilfskrankenhaus des Kreises Emscher-Lippe mit Entbindungsstation. 1944 kamen hier mehr als 600 Kinder zur Welt. Das Krankenhaus wurde Anfang 1945 zum Militärlazarett umgewandelt und versorgte bis zum Jahresende in der Spitze über 1300 kriegsverletzte Patienten, auch aus dem Umland.

Heiligabend 1945 fanden fast 500 aus dem Osten Vertriebene nach der Flucht kurzzeitig Herberge in Haus Hall. Viele von ihnen blieben später in Gescher und Hochmoor.

Der Innenhof um 1940
Die Pforte um 1940
Das Handwerkerhaus um 1945
Der Kirchenraum um 1900
Ein Gruppenschlafraum
Die Gesamtanlage um 1940
Die Kapelle und das Vincenzhaus
Selbstversorgung durch Garten…
…und Feld
Der sogenannte „Heldenfriedhof“

Haus Hall nach 1945

 

Neubeginn im Rechtsstaat – Schutz und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Im Grundgesetz, Artikel 1, steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“. 1994 wurde im Artikel 3 hinzugefügt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.

Öffnung und Begegnung führen zu Veränderungen

Ende 1949 lebten auf Haus Hall wieder 190 Jungen und 184 Mädchen, betreut durch 46 Ordensschwestern und Ordensbrüder sowie 34 Angestellte. Im Laufe der Jahre stieg die Anzahl der Betreuten auf über 500. Angestellte Fachkräfte übernahmen zunehmend mehr Aufgaben und Verantwortung. Die Zahl der Ordensleute schrumpfte stetig. Am 31.10.1967 verließen die letzten Ordensschwestern Haus Hall, die Vikarie wurde aufgehoben.

Seit den 1960er Jahren suchte Haus Hall Verbindungen zu Gescher als Gemeinwesen. Mauern und Zäune verschwanden, damit Menschen mit Behinderung dort sein können, wohin sie gehören: nicht an den Rand, sondern in die Mitte der Gesellschaft mit alltäglichen Begegnungen von Mensch zu Mensch.

Neue Ideen und Konzepte zur Unterbringung, Betreuung und Förderung von Menschen mit Behinderungen führten weg von geschlossenen Unterkünften mit Schlafsälen,  hin zu Gruppen, in denen möglichst jeder im eigenen Zimmer wohnt.

1972 zogen die ersten Bewohner von Haus Hall in betreute Außenwohngemeinschaften nach Gescher.
Inzwischen leben viele in dieser Form in der gesamten Region.
1968 wurde die „Schule für geistig Behinderte“ staatlich anerkannte Förderschule.'
Seit 1976 sind auch die „Werkstätten für Menschen mit Behinderungen“ staatlich anerkannt. Die Selbstversorgung verlor an Bedeutung, viele Auftragsarbeiten kamen hinzu.

All diese Entwicklungen veränderten Haus Hall grundlegend. Neue Aufgaben erforderten zahlreiche Um- oder Neubauten. Auf dem etwa 41 ha umfassenden parkartig angelegten Stiftungsgelände befinden sich heute Wohnbereiche, Werkstätten, das Heizkraftwerk, die Großküche, die Förderschule, eine integrative Kindertagesstätte, das Seniorenheim, Fachdienste, die Kapelle, die Verwaltung und der Friedhof. Von der Landwirtschaft sind die Gärtnerei und einige Tiergehege verblieben. In einem Baugebiet wohnen Familien mit Bezug zu Haus Hall.

Haus Hall heute – eingebunden in Gescher und in die Region

Die Stiftung Haus Hall betreibt im westlichen Münsterland und im nördlichen Ruhrgebiet Einrichtungen und Dienste für Menschen mit Behinderungen und für Senioren. Die Stiftungssatzung verzichtet schon seit vielen Jahren auf eine Konfessionsbindung und trägt den Titel: „Stiftung Haus Hall – Einrichtungen und Dienste für Menschen“.

Aktuelle Daten finden Sie im Internet unter www.haushall.de.

Schaubild Gesamtanlage 2020
Klassenraum um 1950
Moderner Schulbau um 1970
„Externe“ Wohngruppen um 1965
Neue Wohnkonzepte ab 1985
Seniorenwohnanlage seit 2014
Die „Pforte“ heute
Sommerfest mit Gästen
Therapiepartner Tier
Gottesdienst mit Gästen